Reh gegen Auto. Ein Wildunfall, zwei Verlierer. Das Tier tot, der Wagen laut Gutachten ein Totalschaden. Der Capri wirtschaftlich platt. Ein ungeeignetes Gutachten als Folge eigener Nachlässigkeit. Nicht zur Nachahmung empfohlen.

Das Waldstück liegt schon hinter mir, da schießt das Niederwild aus dem hohen Gras heraus auf die Straße. Schon bei Tageslicht gibt’s da kaum eine Chance, den Zusammenprall zu vermeiden. So wie hier, in der Dunkelheit, kannste nur noch vollbremsen und beten. Knapp 100 Stundenkilometer habe ich drauf, als es auf der Kreisstraße kracht. Ein kleines Reh und die linke Front meines Capri knallen gegeneinander.

Ein dumpfer Schlag, das Tier fliegt im hohen Bogen in den Graben, Scherben wirbeln durch die Kegel der Restbeleuchtung, die vier blockierten Reifen erzeugen beißend stinkenden Qualm. Nach einer elend langen Strecke, begleitet vom Kreischen des Bremsvorgangs, steht das Auto. Unheimliche Stille. Glück gehabt! Die Straße trocken und gerade, kein Gegenverkehr, kein ausgewachsener Hirsch. Das hätte alles noch ganz anders ausgehen können.

Hier trafen sich Wild und Wagen. Stauchungsschäden fanden sich bis zum rechten, dem Unfall abgewandten, Kotflügel.

Doch auch so reichts, wie die erste Inaugenscheinnahme bei Tageslicht am nächsten Morgen zeigt. Frontschürze und Stoßstange sind stark beschädigt, beide Kotflügel, die Schlossbrücke und die Motorhaube gestaucht. Der Kühlergrill, ein Scheinwerfer und der Blinker links sind zerstört. Glück gehabt? Ja! Aber: Die Teileversorgungslage in Sachen Karosserie und Anbauteile ist bei einem Ford bekanntlich bescheiden. Bei einem Capri der zweiten Generation noch deutlich schlechter. Nicht mein einziges Unbehagen. Denn da ist ja noch das Wertgutachten. Ein Thema, dass ich vernachlässigt hatte. Vier Jahre alt ist das Testat dieses Autos, schon damals war es für mein Empfinden mit 5.500 Euro für einen überdurchschnittlichen Capri II mit V6-Motorisierung deutlich zu niedrig ausgefallen. `Muss ich bald mal machen´ hatte ich mir noch zu Jahresbeginn angesichts galoppierender Fahrzeugpreise in den letzten Jahren vorgenommen - das Reh war schneller.

Hier trafen sich Wild und Wagen. Stauchungsschäden fanden sich bis zum rechten, dem Unfall abgewandten, Kotflügel.

Die Stoßstange war makellos – bis zu jenem Tag. Ersatz in dieser Qualität ist schwer zu finden.

Der Gutachter nimmt den Schaden ins Visier.

Der Gutachter begutachtet Tage später den Unfallwagen, sein wenig später eintreffendes Ergebnis bestätigt die Horrorvision. Reparaturkosten in Höhe von 7.052,64  Euro sind kalkuliert. Differenz zum Gutachten: mehr als 1.500 Euro. Und es kommt zunächst noch dicker.
Über die Restwertbörse „Auto Online“ ermittelt der Sachverständige einen Restwert von 2.360 Euro. Diese Summe hat ein Aufkäufer für den verunfallten Capri verbindlich geboten. Mir schnürt sich die Kehle zu. Und es kommt wie befürchtet. Die Versicherung berechnet den Schaden so: Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs: 5.500 Euro. Abzüglich Restwert: 2.360 Euro. Abzüglich 150 Euro Selbstbeteiligung an der Teilkaskoversicherung. Entschädigung: 2.990 Euro. Das hieße 4.062,64 Euro auf den eigenen Deckel.

Ein Verkauf kommt nicht in Frage, dies teile ich der Versicherung unmittelbar mit und will wissen, was mit dem Restwert in diesem Fall passiere. Die in meinem Fall angesprochene Oldie Car Cover Assekuranzkontor GmbH erklärt, dass die in Frage stehenden 2.360 Euro erstattet werden, wenn der Nachweis einer sachgerechten Wiederinstandsetzung des Fords geliefert werde. Dies habe über die entsprechende Werkstatt-Gesamtrechnung sowie ein neuerliches Gutachten zu erfolgen. Immerhin – doch auf den noch immer als Lücke klaffenden 1702,64 Euro werde ich sitzenbleiben. Teures Ergebnis eigener Schludrigkeit.

Zum Wiederaufbau wünscht sich der Karosseriebauer unter anderem eine neue Frontschürze, sowie eine neue Stoßstange. Ein Wunsch, der sich in diesem Moment schlicht nicht erfüllen lässt. Anfragen in Köln zu diesem Thema sind erfahrungsgemäß völlig sinnlos. Wer einen alten Ford fährt, fährt nur mit dem Flankenschutz eines Clubs wie dem CCD einigermaßen sorgenfrei. Unser Capri-Club Deutschland kniet sich bekanntlich seit vielen Jahren sehr in die Aufgabe, benötigte Teile neu anfertigen zu lassen. Doch bei einer Chromstoßstange mit Gummileiste und diesem Blech ist auch hier Ende im Gelände. Der Spengler hat es bereits geahnt und verfrachtet den Patienten auf die Richtbank. Gaaaanz behutsam, Zentimeter für Zentimeter, und über drei Wochen hinweg wird die fächerartig verformte Schürze wieder zurecht gezogen. Das geschieht so nebenher, andernfalls würde der Kostenrahmen noch zusätzlich klar gesprengt. Außerdem werden Schlossbrücke, Haube und Flügel wieder in in ihre ursprüngliche Form zurückgebracht.

Auf der Richtbank wird die Langnase sehr behutsam wieder in die richtige Länge gezogen. Drei Wochen dauert das Herausziehen insgesamt.

Auf der Richtbank wird die Langnase sehr behutsam wieder in die richtige Länge gezogen. Drei Wochen dauert das Herausziehen insgesamt.

Der Capri ist wieder „in Form“ - grob jedenfalls.

Gefüllert. Grundiert. Warten auf die Lackdusche.

Wieder in Farbe. Statt „Mediterrangrün-Metallic 75“ wurde allerdings ein modifiziertes „Suzuki Grass-Green-Metallic“ aufgetragen.

Beim Chromteil hift nur „Vitamin B“. Ein überaus hilfsbereiter Clubkollege des CCD – namentlich unser „Teile-Papst“ Wolfgang Stein – hat bei einem anderen Kumpel noch was gut und kann das begehrte Stück in einem vergleichsweise sehr überzeugenden Zustand für mich ergattern. Andernfalls hätte hier nicht nur eine Kostenexplosion, sondern möglicherweise gar der vorübergehende Verzicht auf das Anbauteil gedroht.

Scheinwerfer, Blinker und ein neuer Kühler können von einem auf alte Ford-Teile spezialisiertem Händler namens Motomobil geliefert werden. Der Plastik-Grill nicht. Bei Ebay entdecke ich ein Exemplar in einem beklagenswerten Zustand. Es fehlt die äußere Alublende, zig Farbanstreiche vermocken das wabenähnliche Gitter. Nützt nix, es muss halt improvisiert werden. Das Teil wird vorsichtig mit Trockeneis vom unschönen Anstrich befreit, die Alublende des zerstörten Grills hat leicht vermackt überlebt. Die friemel ich auf das „neue Altteil“. Makellos ist sie nach Unfall und Umbau nicht mehr, aber Alternativen sind gerade Fehlanzeige. Ein Makel ist auch, dass das Glas des neuen Blinkers ein dunkleres Gelb zeigt, als der unzerstörte Kollege von der Beifahrerseite. Geht gar nicht – glücklicherweise besitze ich noch ein Exemplar in meinem Teilelager. Vom Staub der Jahrzehnte befreit, zeigt es das „richtige“ Gelb. Wie hätte das sonst ausgesehen?

Sehr weitgehend im Originallack hatte sich der Capri vor dem Unfall präsentiert, damit ist es nun vorbei. „Mediterrangrün-Metallic 75“ war der Name seines Kleides. In der Lackiererei sorgt der Name trotz seines Wohlklangs für wenig heitere Mienen. Ein knappes Dutzend Lackkarten werden gespritzt, die Abweichungen zur Farbe aus dem Jahre 1976 sind teilweise beträchtlich, stets nicht zu tolerieren.

Der Capri im neuen, alten Glanz.

Mit viel Beharrlichkeit gelingt im x-ten Anlauf schließlich der Durchbruch hin zu einer akzeptablen Lösung. Ausgangsmaterial ist nun „Suzuki Grass-Green-Metallic“, verfeinert mit diversen Modifikationen.

Wieder zusammengebaut, ist es nun beinahe so, als sei nichts gewesen. Abgesehen davon, dass es sich jetzt um einen Unfallwagen handelt, für dessen Wiedererstehen ich gut 1.700 Euro zuzahlen musste. Dies als Warnung an alle, die sich ein Wertgutachten aufgrund eines vermeintlich übersichtlichen Werts eines Youngtimers schenken. Zu guter Letzt: Ein neues Gutachten weist nun einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von 11.000 Euro aus.

[Text und Fotos: Marc Keiterling]


Capri MK I [Bj. 68 - 73]

Capri MK I

Capri MK II [Bj. 74 - 77]

Capri MK II

Capri MK III [Bj. 78 - 86]

Capri MK III