In der SWR-Fernsehreihe „Auto-Ikonen“ kam er Ende 2020 im Film zum Capri ausführlich zu Wort. Dieter Glemser ist für viele Capri-Fans der „Größte“ unter all den Rennfahrern, die GT, RS und Zakspeed-Turbo in der großen Ära über die Pisten jagten. Der gebürtige Stuttgarter war so eng mit dem Kölner Coupé verbunden wie außer ihm höchstens noch Jochen Mass. Da konnten in der Gunst der Fans auch Formel 1-Stars wie Jackie Stewart, Emerson Fittipaldi oder Niki Lauda – allesamt ebenfalls am Capri-Steuer - nicht mithalten.

Der inzwischen 83-Jährige war sowohl in Tourenwagen-Rennen als auch bei Rallyes und bei 24-Stunden-Rennen aktiv. Mit verschiedenen Tourenwagen wurde er Europameister und zweifacher Deutscher Rennsportmeister. Vor und noch während seiner Rennsportkarriere arbeitete Glemser als Gärtner im Betrieb seiner Eltern.

Eine große Erfolgsgeschichte

Seine Karriere begann in den frühen 1960ern, am Anfang fuhr er einen Porsche 356. 1963 gewann er die Polen-Rallye in einem Mercedes-Benz 220SE. 1966 war er Porsche-Werksfahrer auf dem Typ 906. Ab 1969 fuhr er viele Erfolge für die Marke Ford auf Escort und eben Capri ein. 1969: Deutscher Rundstrecken-Meister auf Ford Escort. 1971: Europameister bei den Tourenwagen auf Ford Capri. 1971: Sieger der 24 Stunden von Spa-Francorchamps auf Ford Capri. 1973/74: Deutscher Rennsportmeister auf Ford Escort.

1971 setzte Dieter Glemser, der am 28. Juni 2021 seinen 83. Geburtstag feierte, die Glanzlichter auf eine furiose Rennsportsaison des Capri. Foto: SWR

1971 setzte Dieter Glemser, der am 28. Juni 2021 seinen 83. Geburtstag feierte, die Glanzlichter auf eine furiose Rennsportsaison des Capri. Foto: SWR

Der Start zum 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps 1971. Schon gleich zu Beginn lag der Capri von Dieter Glemser und Alex Soiler-Roig in Führung. Foto: Zwischengas/Automobil Revue

Der Start zum 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps 1971. Schon gleich zu Beginn lag der Capri von Dieter Glemser und Alex Soiler-Roig in Führung. Foto: Zwischengas/Automobil Revue

Bereits vor dem Start des RS in der Saison 1970 wartete ein strammes Programm auf den Capri, zunächst noch als GT. Die Tourenwagen-EM wurde mit bis zu drei Autos bestritten. Fast ein Dutzend Werksfahrer standen fallweise oder permanent bei Ford unter Vertrag, darunter auch Glemser. Zu seinen Kollegen zählte Rolf Stommelen, der immer an Bord war, wenn seine Formel 1-Termine dies zuließen. Viel sprang nicht heraus in diesem Jahr.

„Ich bin ab 1969 Capri gefahren, im Rallyesport und auf der Rundstrecke. Damals war das Auto nicht perfekt. Eingesetzt wurden die Weslake-Motoren mit 320 PS und die gingen noch 1970 dauernd kaputt. 1971 hat sich das schlagartig gewandelt, als die Triebwerke endlich standfest waren. Ich bin damals mit dem Alex Soiler-Roig, dem Doktor Helmut Marko und verschiedenen anderen Kollegen viele Langstreckenrennen gefahren. Da haben wir praktisch jedes Rennen vor den BMW´s gewonnen. Der Capri war da perfekt, wenngleich auch schwierig zu fahren durch die Starrachse. 1972 wurde ich dann mit dem gleichen Auto Vize, hinter Jochen Mass, der auch Capri RS fuhr“, sagt Glemser.

Ein Teil der Werksmannschaft beim winterlichen Konditionstraining in St. Moritz, selbstverständlich stilecht angereist. Im Bild von links: Konditionstrainer Günter Traub, Hans Heyer, Teamchef Michael Kranefuß, John Fitzpatrick (der den Capri nicht sehr mochte), Dieter Glemser, Gerry Birrell, Jochen Mass und Jackie Stewart. Foto: Ford-Werke

Ein Teil der Werksmannschaft beim winterlichen Konditionstraining in St. Moritz, selbstverständlich stilecht angereist. Im Bild von links: Konditionstrainer Günter Traub, Hans Heyer, Teamchef Michael Kranefuß, John Fitzpatrick (der den Capri nicht sehr mochte), Dieter Glemser, Gerry Birrell, Jochen Mass und Jackie Stewart. Foto: Ford-Werke

Vor exakt 50 Jahren, 1971, war der Triumphzug tatsächlich kaum zu bremsen. Die Trophäen für den Euro-Titel bei den Tourenwagen und für den Sieg bei den 24 Stunden für Tourenwagen von Spa stehen in der Glemser´schen Vitrine in Leonberg.

Auf Augenhöhe mit den F1-Stars

Für den Capri lief es 1972 noch besser. In der erstmals ausgetragenen Deutschen Rennsport-Meisterschaft (DRM) fuhr Hans-Joachim Stuck der Konkurrenz um die Ohren und holte sich als Neuling den Titel. Neben der DRM sicherten sich die von grau-blau auf blau-weiß umlackierten Werks-RS auch die Tourenwagen-EM. Dies gleich im Doppelpack, Mass als Sieger, Glemser als Vize. Beim ersten Auftritt beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans fuhren zwei der drei eingesetzten RS auf die Gesamtränge 10 und 11 und erzielten gleichzeitig einen Doppelsieg im gesondert gewerteten Tourenwagen-Klassement. Noch eindrucksvoller der Kölner Auftritt beim 24-Stunden-Rennen für Tourenwagen in Spa. Drei Werks-Capri gestartet, drei im Ziel, auf den Plätzen 1,2 und 3. Mehr geht nicht.

Sieger bei den 24 Stunden für Tourenwagen 1971 in Spa-Francorchamps, gestellt von den Fotografen. Foto: Zwischengas/Paul Kooyman

Sieger bei den 24 Stunden für Tourenwagen 1971 in Spa-Francorchamps, gestellt von den Fotografen. Foto: Zwischengas/Paul Kooyman

Und noch ein besonderer Moment vor 49 Jahren: Formel 1-Weltmeister Jackie Stewart saß beim EM-Lauf in Le Castellet erstmals im Capri RS und war völlig begeistert: „Haltet mir für ein paar Rennen im nächsten Jahr einen Platz frei. Ich komme wieder, denn das macht wirklich Spaß!“

Dieter Glemser schwärmt noch heute: „Es war eine tolle Zeit! Zeitgleich mit dem Capri fuhr ich auch den Zakspeed-Escort, mit dem ich 1969, 1973 und 1974 die Deutsche Rennsportmeisterschaft gewann. Bei den Langstreckenrennen bildete ich unter anderem ein Team mit Jackie Stewart oder Niki Lauda. Also Jungs, die ganz groß Formel 1 fuhren. Eine tolle Befriedigung war es, wenn sich die Rundenzeiten zwischen dem damaligen Formel 1-Superstar Stewart und mir kaum unterschieden. Wir haben noch heute einen großen Spaß, wenn wir uns mal sehen.“

Auch flotte Stadtdurchfahrten gehörten zum Programm. Etwa im tschechischen Brünn, wo das Vollgas-Geschlängel mitten durch den Ortskern erfolgte. Für viele Tourenwagenpiloten war das der ultimative Kick der 1970er Jahre. Glemser in Erinnerung an die dortige Hatz dicht entlang der Häuserwände: „Da rutschte mir jedesmal das Herz in die Hose.“

Oft ging leider nicht alles gut, ganz im Gegenteil. „Es gab damals viele Unfälle, auch tödliche Unfälle. Das waren natürlich die Schattenseiten dieses Sports. Die Rennstrecken war längst nicht so sicher wie heute. Die Autos haben meist gebrannt, wenn es mal einen Unfall gegeben hat. Das Risiko war schon relativ hoch, ich habe da so manchen Freund verloren. In Spa – eine wirklich tolle Rennstrecke – gab es jedes Mal, wenn ich dort gefahren bin, irgendwelche tödlichen Unfälle. Ich habe da mal bei der Fahrerbesprechung vor dem Rennen gestanden und gedacht: ´Wen erwischt es diesmal?´“

Ab 1973 fehlte es dem Capri gegenüber der Konkurrenz von BMW spürbar an Leistung und Abtrieb, die Dominanz war dahin, die 3-Liter-Motoren ausgereizt. Dieter Glemser: „Mit den 3,4-LiterCosworth-Motoren, die 1974 bis zu 460 PS leisten konnten, rückte der Capri anschließend noch einmal auf. Da musstest du auf dem Nürburgring schon mal ab und an den Po ordentlich zusammenklemmen.

Die kurvenreiche Ortsdurchfahrt in Brünn war für viele Rennfahrer der ultimative Kick der gesamten Saison. Foto: Zwischengas/Hans-Peter Seufert

Die kurvenreiche Ortsdurchfahrt in Brünn war für viele Rennfahrer der ultimative Kick der gesamten Saison. Foto: Zwischengas/Hans-Peter Seufert

Nach Lenkungsbruch schoss Glemsers Capri auf der Nordschleife des Nürburgrings meterhoch durch die Luft und überschlug sich heftig. Ein Wunder, dass er mit nur einigen Rippenbrüchen davonkam. Foto: Zwischengas/Hartmut Schulz

Nach Lenkungsbruch schoss Glemsers Capri auf der Nordschleife des Nürburgrings meterhoch durch die Luft und überschlug sich heftig. Ein Wunder, dass er mit nur einigen Rippenbrüchen davonkam. Foto: Zwischengas/Hartmut Schulz

Fitzpatrick war kein Capri-Freund

Nicht jeder Rennfahrer kam übrigens mit dem Capri klar. Unser englischer Kollege John Fitzpatrick fuhr damals auch im Ford-Werksteam. Der kam mit diesem Fahrzeug nicht zurecht. Er sagte seinerzeit zu unserem Ingenieur Thomas Ammerschläger: ´Mit dem Auto kann man nicht fahren´. Ammerschläger entgegnete: ´Du spinnst wohl. Wir haben damit alles gewonnen. Das muss ja irgendwie doch gut gewesen sein´.“ 1973 endete die Rennkarriere Glemsers– vor allem, weil er seinen oft zitierten Schutzengel nicht überbeanspruchen wollte. „Im August 1973 hatte ich auf der Nordschleife einen schweren Unfall mit dem Capri, wo ich nach Lenkungsausfall im Bereich Wehrseifen hoch durch die Luft geflogen bin. Als ich das Auto kurz zuvor von Jochen Mass übernommen hatte, hatte Mass schon gemeint, dass die Lenkung viel Spiel habe. Die Mechaniker haben es schnell kontrolliert, ihnen war aber nichts aufgefallen. Den anderen Werks-Capri fuhren in diesem Rennen Jackie Stewart und Emerson Fittipaldi, die zu diesem Zeitpunkt weit hinter uns lagen. Ich habe gleich gemerkt, dass das nicht in Ordnung ist. Ich habe mich noch mal fester angeschnallt und wollte in der nächsten Runde zurück an die Box. Ich kam aber nur bis Wehrseifen. Gott sei Dank zog ich mir bei diesem Crash nur einige Rippenbrüche zu.

Es folgte, als ich wieder fit war, im November ein Rennen zur Europameisterschaft in Macao. Da bin ich nicht Capri, sondern den Zakspeed-Escort gefahren. Weit in Führung liegend habe ich da einen Platten in einer schnellen Rechtskurve bekommen und bin breitseitig auf einen Baum geprallt. Das hat das Auto in zwei Teile zerrissen, einige Zuschauer wurden dabei schwer verletzt. Und nachdem ich schon am Nürburgring viel Dusel hatte, und dann, in Macao, noch viel mehr, bin ich ausgestiegen und habe gesagt: ´Das wars! Ich fahre nie mehr ein Rennen`. Und ich bin auch nie mehr gefahren.“

Strahlende Sieger 1971 unter der Nürburg: Helmut Marko (links) und Dieter Glemser als Gewinner des Großen Preises der Tourenwagen. Foto: Zwischengas/Dieter Rebmann

Strahlende Sieger 1971 unter der Nürburg: Helmut Marko (links) und Dieter Glemser als Gewinner des Großen Preises der Tourenwagen. Foto: Zwischengas/Dieter Rebmann

Nach der aktiven Karriere: Berater Dieter Glemser (rechts) 1979 mit Ford-Sportboss Michael Kranefuß, Zakspeed-Chef Erich Zakowski und dessen Sohn Peter am Werksturbo. Foto: Ford-Werke

Nach der aktiven Karriere: Berater Dieter Glemser (rechts) 1979 mit Ford-Sportboss Michael Kranefuß, Zakspeed-Chef Erich Zakowski und dessen Sohn Peter am Werksturbo. Foto: Ford-Werke

[Text: Ford Werke & Marc Keiterling - Fotos: jeweils siehe Bildunterschrift]